Donnerstag, 22. Januar 2015

Neues Betrugssystem “Race Cycler”


Vorsicht vor diesem Pyramidenspiel mit versprochener "Renngeschwindigkeit"

Das soll ein „Schnäppchen“ sein: Man bietet Ihnen Bücher in Form von eBooks und Softwaretools im angeblichen Wert von 1.000 USD zum Kauf an; für sage und schreibe gerade einmal 200 Euro! Vieles überholt, noch dazu in Englisch und zu Marketingthemen, die ganz sicher für Privatleute vollkommen unbrauchbar sind. Dann kommt die Sache knüppeldick. Der Verkäufer im derzeit per Internet herumgereichten Informationsvideo sagt mir, warum ich mit dem Paket - mit dem ich eigentlich schon richtig Geld machen könnte - jetzt erst so richtig Geld verdienen werde, finde ich zwei Dumme, die ebenfalls 200 Euro zu viel in der Tasche haben. 
 
Ich kaufe also das Paket, werbe zwei neue Kunden und darf dann warten, bis diese ebensfalls ihre beiden nachfolgenden Neukunden gewonnen haben. Jeder wieder zwei. Danach erhalte ich eine Provision in Höhe von 200 EUR.
 
Gehen wir in der Erinnerug knapp 30 Jahre zurück: Wer 1989 im Boomjahr der Kettenbrief- und Pyramidenspiele bereits volljährig war, dem dämmert es jetzt, denn ihm kommen diese Empfehlungsgeschichten bekannt vor. Ja, Sie irren nicht - wir kennen diese Geldverschiebebahnhöfe als Pyramidenspiel! Dazu zitiere ich am Besten aus einem Bericht vom Dezember des letzten Jahres, der das Prinzip
anschaulich erklärt und die neueste Umschreibung eines solchen Pyramidenspiels - den „Race Cycler“ - nach Strich und Faden seziert:
 
„[...]Auf dem Papier sah das dann so aus: Oben stand der „Joker“ darunter zwei "Könige" von denen wiederum jeder zwei "Damen" hatte; also vier „Damen“ insgesamt. Die Positionsnamen orientierten sich am Kartenblatt eines Pokerspiels. Die Aufgabe der Spieler auf Dame-Position war es jetzt, ihre beiden neuen Mitspieler zu finden und die „Zehner-Reihe“ zu füllen. Das Geld der „Zehner“ - der Spieleinsatz - floß als Gewinn an den Joker. Der schied aus der Runde aus und die beiden Könige hatten jetzt jeder für sich auf eigenen Listen die „Joker“-Position inne. Das Argument des Verkäufers, des Werbers oder Sponsoren - wie die aktiven Spieler auch genannt wurden - "es sind immer nur zwei neue Teilnehmer!"

"Es sind immer nur zwei!"


Genau diesen dummen Spruch wollte mir auch heute eine Werberin am Telefon auf’s Auge drücken. Da war nicht mehr die Rede von den tollen Geschäften, zu denen mir das Software- und Bücherpaket angeblich verhelfen wollte. Da war nur noch von Startplätzen die Rede, die an der Grundlinie gefüllt werden müßten, damit im „National Circuit“ - der fiktiven nationalen Rennstrecke - so richtig die Post abgeht. Also rein in die Pyramide, pardon in den „National Race Circuit“! 200 € kostet der Startplatz, nicht die Software. In der Terminologie des neuen Spiels gibt es Startplätze für ein Rennen, gibt es eine kleine Pyramide - den „National Circuit“ mit vier Startplätzen und einen „Grand National Cicuit“ mit acht Starterplätzen. Dort kann man sich aber nicht direkt einkaufen, so teure Software und Bücher stehen dann doch wohl nicht zur Verfügung - die Plätze werden mit den ausbezahlten Siegern des „National Circuit“ gefüllt.“[...]
 

Ein Gewinn, den fast niemand erreichen kann

Das geht selbstverständlich ganz einfach, denn die Personen, die hier eingetragen werden, haben in der ersten Spielrunde ja insgesamt 4 x 200 € für das System gewonnen. Von den vom Veranstalter vereinnahmten 800 € werden 200 € an den Erstplatzierten, den „Rennsieger“, ausbezahlt und weitere 250 € im „Grand National Circuit“ gesetzt. Verbleiben 350 € beim Initiator. Keine schlechte Einnahme, wenn man bedenkt, das alle administrativen Aufgaben einschließlich eMail-Versand und Auszahlungen in einem guten EDV-Programm automatisch gesteuert werden.

Das Rennen im „Grand National Circuit“ bringt den Teilnehmern eine Auszahlung von 2.000 € und einen Startplatz wieder im kleinen Rennen um die 200er-Prämie. Das vermeintliche „perpetuum mobile“ in Sachen wundersamer Geldvermehrung dreht sich von vorne. Die Namensgebung dieses auf "Neu" getrimmten, alten Pyramidenspiels ist dem Automobil-Rennsport entliehen. Demzufolge werden die Pyramidenpositionen in den Informationsvideos nicht mehr altmodisch durch Quadrate, sondern durch gekreuzte farbige Flaggen gekennzeichnet. Die schwarz-weiße Zielflagge steht für Mitspieler, die bereits ihre beiden neuen Rennfahrer geworben haben und somit gewinnberechtigt sind.

Das "safty car" eine absolut unrealistische Zusage


Richtig auf den Arm genommen werden Menschen, die sich das System vorstellen lassen, wenn ihnen die Geschichte vom „Safty Car“ aufgetischt wird. Dieses Vehikel, so wird im Vortrag erzählt, habe die Aufgabe immer dort für neue Rennteilnehmer zu sorgen, wo Teilnehmern quasi der Sprit ausgegangen ist und sie mangels himmelhoch jauchzender Euphorie ihre Nachfolger nicht finden können. Nun kann ein solches „Safty Car“ - in den grauen Anfangszeiten der Pyramidenspiele nannte sich ein solches Vehikel „Automatik“ - nur dann Plätze auffüllen, wenn Positionen in der großen Spielrunde ausbezahlt werden. Und deren Auszahlungsgeschwindigkeit hängt wiederum von der Anzahl der Neueinsteiger ab, also von der Anzahl Leute, die sich dieses ominöse Software- und Buchpaket zulegen wollen. Wenn also viele Neueinsteiger zum System stoßen, geht’s auch mit der Automatik - sorry, mit dem „Safty Car“ - relativ schnell. Betonung auf „relativ“! Wenn aber dem System die neuen Rennfahrer ausgehen, und die Hilfe der Füll-Automatik tatsächlich gefordert wäre, hat die einfach systembedingt kein Geld zur Verfügung und gerät in’s Stottern. 
Spätestens hier beißt sich der Hund in den Schwanz, nichts ist es da mit „safty“ und „Renngeschwindigkeit“! Wenn Auszahlungen auf sich warten lassen, setzt eine ganz andere automatische Entwicklung ein: die Motivation und Begeisterung der Mitspieler sinkt; noch weniger Geld fließt in's System, die Motivation sackt noch mehr ab und schleichend resigniert die Gemeinschaft. Das Spiel steht, die Spieleinsätze all jener „Rennfahrer“ sind verloren, die noch keine Auszahlung erhalten haben. Insbesondere die „Neustarter“ werden dann in’s Verderben gezogen, weil die Aussicht wenigstens eine erste Auszahlung noch zu erreichen, gegen „Null“ entschwindet.

Eine Sache für den Staatsanwalt


Nachdem Sie jetzt Systematik, Terminologie, Haken und Ösen des Pyramidenspiels kennen und mit dem Sie bzw. mit einem seiner Werber, ganz sicher schon bald näher Bekanntschaft machen werden, lohnt sich ein Blick auf die rechtliche Seite eines solchen Systems
Juristisch abgesichert glaubt sich zumindest der Sprecher in dem uns vorgestellten Video, weil es sich ja um einen „Warenverkauf mit Provisionszahlung“ handelt. Eine sehr beschränkte Sichtweise, da weder Inhalt der Bücher noch die Einsatzmöglichkeiten oder gar Namen der Softwarepakete benannt werden und sicher niemand eion Produkt für 200 Euro kaufen würde, ohne Näheres zu dessen Beschaffenheit oder Verwendungsmöglichkeiten zu wissen. Einzig und allein das Spielsystem wird ausführlichst vorgestellt.
Da ist also sehr viel Augenwischerei im Spiel, die ein gefundenes Fressen selbst für jeden unerfahrenen Staatsanwalt darstellt. Der „Race Cycler“ ist ein astreines Schneeballsystem und damit deutschland- und EU-weit verboten.
 
Da hilft es auch nichts, wenn die Mär von einer US-Firma in die Welt gestreut wird, die das System erfolgreich in den USA betreibt. Ausgerechnet United States und was heißt hier schon „betreibt“? Allein diese Aussage ist Hinweis genug, daß beim „Race Cycler“ viel Augenwischerei mit im Spiel ist und die Menschen für dumm verkauft werden; es nur um einen schnellen Reibach für den Initiator gehen kann. Die Staaten sind nämnlich bekannt für ihr energisches Durchgreifen gegen Schneeballsysteme und da reden wir dann auch nicht über drei oder sechs Jahre Haft!
 

Um einer Verfolgung durch die US-Justiz zu entgehen, darf der Initiator, wenn er tatsächlich in den USA mit einer Firma ansässig sein sollte; ein solches System u. U. zwar anbieten, aber niemals in den USA. Genauso wenig wie den Betrieb oder die Beteiligung am „Race Cycler“ einem US-Staatsbürger anbieten bzw. ermöglichen. Soviel zum erfolgreichen „Betreiben“ in den Vereinigten Staaten.

Sittenwidrig auch mit Warenangebot 

Nicht bedacht haben Initiator(en) und Mitspieler auch, daß die hier ablaufende Werbung - unabhängig von der Frage eines vorhandenen Produktangebotes - in Deutschland verboten, weil sittenwidrig ist. Jeder der einen neuen „Rennfahrer“ gewinnt, läuft Gefahr, diesem irgendwann die Einsätze erstatten zu müssen. Zur steuerlichen Behandlung der erzielten Gewinne - solche wird es gerade in der Anfangszeit der Spielphase geben - werden in dem Video zwar keine Angaben gemacht, sie sind allerdings nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG steuerpflichtig und erfüllen keineswegs die Voraussetzungen von steuerfreien Spiel- oder Wettgewinnen.

Die Rechtslage außerhalb Deutschlands


Pyramidenspiele sind in Österreich nach § 168a StGB seit 1. März 1997 verboten. Das Strafmaß sind hier in einfachen Fällen bis zu 6 Monate Haft. Gibt es jedoch viele Geschädigte, drohen bis zu 3 Jahre.


In der Schweiz ist die Sache sehr viel komplizierter, da hier gleich eine ganze Reihe von Gesetzen ineinander greift. Nach dem Schneeballsystem funktionierende Veranstaltungen sind durch Art. 43 Abs. 1 Lotterieverordnung verboten. Der Strafrahmen umfaßt Haft bis drei Monate und Geldbußen bis 10.000 Franken (Art. 38 Lotteriegesetz). Je nach Aufbau und Funktionsweise liegt bei Schneeballsystemen auch ein Verstoß gegen das Bankengesetz, gegen das Börsengesetz, gegen das Kollektivanlagengesetz oder gegen das Geldwäschegesetz vor. So ist auch die Ausübung einer bewilligungspflichtigen Bank-, Effektenhändler- oder Finanzintermediär-Tätigkeit, ohne entsprechende Bewilligung der Eidgenössischen Bankenkommission verboten.

Dieser Rat ist unbezahlbar: Hände weg vom „Race Cycler“!


In meinen Augen ist der „Race Cycler“ ein glasklares Betrugssystem und mit dem versprochenen „Safty-Car“ eine besonders hinterhältige und verwerfliche Art, seinen Zeitgenossen finanziellen Schaden zuzufügen. In dem Werbevideo wird dazu mit keiner Silbe auf die Gefahren für das eingesetzte Kapital hingewiesen; vielmehr offenkundig damit spekuliert, daß gutgläubige Teilnehmer ein Vielfaches des offerierten einmaligen Teilnahmebetrages einsetzen. Mit 2.000 € „immer wiederkehrender Auszahlung“ kommt man heute nicht weit, noch dazu, wenn die Zeiträume zwischen den Auszahlungen wegen der immer größer werdenden Zahl benötigter Teilnehmer in den „Folgerennen“ immer weiter auseinander driften. Den Totalverlust und die unangenehme Bekanntschaft mit der Justiz müssen Interessenten unbedingt ganz oben auf ihrem Notizzettel stehen haben, sollte eine Teilnahme an diesem Betrugssystem überhaupt erwogen werden.


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